Worum geht es?
Es ist eine romantische Vorstellung, direkt erzeugten Strom unmittelbar zu verwenden und keinen Energieversorger als Dienstleister zu benötigen. Keine Kosten mehr für die Querfinanzierung der Gesamtinfrastruktur, ein hohes Maß an Autarkie und Preisstabilität. Mieterstrom ist hier das Stichwort. Ein Geschäftsmodell, mit dem ein Gebäudebesitzer zum Energieversorger wird, mit allen Rechten und Pflichten.
Das Modell ist nicht neu, stellt aber eine Sonderform der Kundenanlage dar. Verkürzt dargestellt installiert der Hausbesitzer eine PV-Anlage und verkauft Teile des damit erzeugten Stroms zu einem fest vereinbarten Preis an seine Mieter. Reicht der erzeugte Strom nicht aus, muss er am Markt beschafft werden. Auf den im Mieterstromvertrag festgesetzten Preis hat die zu beschaffende Strommenge dabei keinen Einfluss. Der Hausbesitzer darf in diesem Konstrukt mit Vergünstigungen rechnen bzw. er zahlt keine Netzentgelte, da sein Haus nicht das Netz der allgemeinen Versorgung nutzt. Der Hausbesitzer ist somit selbst der Energieversorger.
Die Bundesregierung hat mit diversen Novellen (2021/ 2022) des Erneuerbaren Energie Gesetz (EEG) das Mieterstrommodell weiter gefördert und zum Teil vereinfacht.
Hier die wichtigsten Fakten:
- ein Hausbesitzer und PV-Anlagenbetreiber kann einen Dienstleister mit der Abwicklung des Mieterstromkonstruktes beauftragen
- die Anlagenzusammenlegung für Mieterstrom sind an den Netzanschlusspunkt gekoppelt und nicht auf das Gebäude
- es dürfen mehr als 100 kWp auf den Dachflächen installiert werden ohne das der Mieterstromzuschlag entfällt
- der z.T. langwierige Abstimmungsprozess mit dem örtlichen Energieversorger wurde standardisiert
- die EEG-Umlage wurde ausgesetzt
Nicht zuletzt diese Fakten führen in Deutschland sowohl zu einer erhöhten Nachfrage also auch zu einem steigenden Angebot an Dienstleistungen, die das Themenfeld Mieterstrom bedienen.
Was bietet der Markt?
Im Zuge dessen haben wir den Markt sondiert und uns einen Überblick über die Prozesse, die eingesetzte Technik, die Preisgestaltung sowie die Softwaredienstleistungen verschiedener Anbieter verschafft. Im Ergebnis konnten wir feststellen, dass es erhebliche Unterschiede in den beleuchteten Segmenten gibt. Einige wichtige Erkenntnisse unserer Marktrecherche möchten wir kurz erläutern.
Viele Anbieter setzen den Meteroit von Discovergy als Gateway in den Mieterstromkonstrukten ein. Durch die Insolvenz von Discovergy findet eine strategische Neuausrichtung bei den Dienstleistern statt. Perspektivisch sollen zertifizierte Smart Meter Gateways (SMGW) zum Einsatz kommen, um die Datenerfassung des Mieterstromgebäudes komplett zu digitalisieren und vor allem rechtssicher zu gestalten. Somit können ohne rechtliche Unsicherheiten die Stromzählerstände nebst Daten von Heizkostenverteilern, Wasserzählern und Wärmemengenzählern gesammelt und über die SMGW-Infrastruktur versendet werden. Diese Entwicklung stützt unsere Sicht, dass der Einsatz von proprietären Lösungen „aussterben“ wird.
Wir sind der Meinung, dass insbesondere die Softwarelösungen zum Eigenbetrieb für die Wohnungswirtschaft interessant sind. Diese können aus IT-Sicht in bestehende Architekturen integriert werden, bilden die energiewirtschaftlichen Prozesse ab und erlauben eine bequeme Verwaltung von mehreren Mieterstromobjekten. Durch den Wegfall der operativen Dienstleistungskosten wird der Business Case verbessert und es herrscht eine deutlich höhere Gestaltung der Freiheitsgrade (z.B. Branding des Stromtarifs, Preisgestaltung, etc.).
Im Bereich der Preisgestaltung findet sich am Markt ein breites Spektrum. Während einige Anbieter mit dem Anlagenbetreiber einen Fixpreis je kWh für eine längere Periode festsetzen (ähnlich wie bei der Einspeisevergütung), finden sich auch Anbieter, die jedes Jahr mit dem Anlagenbetreiber in Preisverhandlungen treten. Da die Preise immer auf ein konkretes Mieterstromobjekt angepasst werden, empfiehlt es sich im Vorfeld einige Rahmenparameter festzulegen (z.B. Dachfläche, Teilnehmerquote, Anzahl Hausanschlüsse, Messkonzept, etc.).
Wie finden wir das?
Die Politik fördert bewusst Mieterstrom mit jeder neuen Novelle. Die Marktentwicklung zeigt, dass Smart Meter eine tragende Rolle einnehmen können, sofern ein Objekt vollwertig digitalisiert werden soll. Da nach unserer Erfahrung viele Energieversorger durch historisch gewachsene (IT) Infrastruktur nicht oder sehr selten in der Lage sind, solche Konstrukte abzubilden, hat sich ein immer größerer Markt gebildet. Insbesondere für Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft können Anbieter interessant sein, die sowohl das Lieferkettenmodell als auch die Eigenlieferung als Software as a Service (SaaS) anbieten. Somit kann im Lieferkettenmodell „gelernt“ und anschließend ohne großen Migrationsaufwand auf die SaaS-Variante umgestellt werden.
Aus unserer Sicht kann Mieterstrom ein durchaus attraktives Modell darstellen. Einigen Fragen insbesondere im Bereich des Betriebes sind wir aktuell dennoch auf der Spur. Wie kann aus energiewirtschaftlicher Sicht ein einfacher und schneller Wechsel eines Mieters in und aus einem Mieterstromkonstrukt erfolgen? Hilft hier der Universalbestellprozess aus der Marktkommunikation? Kann die Netzlokation zukünftig bei der Abwicklung helfen? Wird die Abstimmung des Messkonzeptes durch die Fristsetzung des Gesetzgebers verbessert?
Mit diesen und weitere Fragen werden wir uns die nächste Zeit beschäftigen. Dabei halten wir Sie natürlich jederzeit auf dem Laufenden.
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