Mit dem in der vergangenen Woche veröffentlichtem Referentenentwurf zur Änderung des EnWG sowie nachgelagerter Verordnungen hat der Gesetzgeber nun den Anstoß zur Umsetzung der Richtlinien des EU-Legislativpaketes „Saubere Energie für alle Europäer“ gegeben. In den vergangenen Wochen waren mit dem EEG 2021, der MaKo 2022 sowie dem Entwurf des SteuVerG bereits eindeutige Signale Richtung mehr Flexibilität, mehr Einspeisung und mehr „Intelligenz“ im Netz gegeben worden. Der uns vorliegende Entwurf nimmt diesen Trend auf und weitet ihn aus. Nach einer ersten ausführlichen Analyse wollen wir in diesem Beitrag einen groben Überblick über die wesentlichen Eckpunkte geben.
Worum geht es?
Die Anpassung des EnWG enthält wesentliche Punkte, die für Übertragungs- bzw. Verteilnetzbetreiber relevant sind. Besonderes Augenmerk haben z.B. die Themen Ladeinfrastruktur und Energiespeicher erhalten (§ 7, § 7c). Im Kern sind Netzbetreiber zukünftig nicht mehr berechtigt in beiden Bereichen frei zu handeln. So soll die Errichtung und der Betrieb von Energiespeicheranlagen durch Netzbetreiber nur in Ausnahmefällen möglich sein. Das Ganze erfordert dann auch einen entsprechend hohen bürokratischen Aufwand gegenüber dem Regulator, was eine zusätzliche Hürde darstellen sollte. Ferner werden Netzbetreiber dazu verpflichtet die Errichtung und den Betrieb von Energiespeicheranlagen auszuschreiben. Bei der Ladeinfrastruktur geht der Gesetzesentwurf sogar noch einen Schritt weiter. Hier sollen Netzbetreiber zukünftig lediglich bei einem Marktversagen (sprich einer nicht vorhandenen Alternative) dazu berechtigt sein diese zu errichten und zu betreiben. Schaut man nach Hamburg oder Berlin ist eine solche Vorgabe nur bedingt zu verstehen und eher kein Beschleuniger für die E-Mobilität in Deutschland.
Des Weiteren sollen Verteilnetzbetreiber zukünftig Flexibilitätsdienstleistungen anbieten. Die Flexibilitätsprodukte müssen diskriminierungsfrei und transparent in einem marktgestützten Verfahren zugänglich gemacht werden. Ziel ist es, einen effizienteren Systembetrieb zu gewährleisten und den Netzausbau zielgerichteter gestalten zu können. Für letzteren müssen Verteilnetzbetreiber der zuständigen Regulierungsbehörde regelmäßig einen Netzausbauplan vorlegen, welcher in seinen Inhalten – etwa der Listung von Netzanschlussbegehren – durch den Gesetzgeber klar definiert ist. Weiterhin muss der Verteilnetzbetreiber zukünftig Services digitalisieren. Im Kern ist er dazu verpflichtet, über ein gemeinsames Internetportal Informationen zu Prozessen zum Netzanschlussbegehren für den Kunden transparent zu übermitteln. Dazu gehört etwa auch das Offenlegen von Netzausbauplänen. Außerdem müssen Netzentgelte transparent im Internet veröffentlicht und auf Anfrage mitgeteilt werden. Insgesamt werden die Berichts- und Informationspflichten deutlich ausgeweitet, was zu umfassenden Anpassungen in den bestehenden IT-Landschaften führen dürfte.
In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist die Vorgabe, dass der Lieferantenwechsel ab 2026 innerhalb von 24 Stunden systemtechnisch abgewickelt werden muss (§ 20a). Ein kleiner Satz der in der Umsetzung einen extrem langen Rattenschwanz nach sich ziehen dürfte. Hier sind MaKo-Prozesse, Abrechnungsprozesse sowie systemübergreifende Abläufe betroffen, für deren Abwicklung bereits heute große Herausforderungen bestehen – und das bei Abwicklungsfristen von mehreren Wochen und nicht 24 Stunden.
Auch Lieferanten werden durch die §§ 40 ff. umfangreich tangiert. Neben den geltenden Vorgaben und Fristen zum Zeitpunkt und zur Fälligkeit von Strom- und Gasrechnungen sind Lieferanten dazu verpflichtet Verbrauchsinformationen und auf Verlangen auch ergänzende Informationen zu Verbrauchshistorien für Letztverbraucher mit Fernübermittlung der Verbrauchsdaten regelmäßig (digital) zur Verfügung zu stellen. Der Referentenentwurf definiert Bestimmungen für Lieferverträge und verpflichtet nun auch zum Angebot von lastvariablen, tageszeitabhängigen und dynamischen Tarifen, wenn mehr als 200.000 Letztverbraucher beliefert werden. Damit gestaltet der Gesetzgeber den rechtlichen Unterbau für das Angebot neuer Produkte durch Lieferanten, die im Kontext des intelligenten Messstellenbetriebs spotmarktgetrieben, spezifische Netzengpasssituationen adressieren und damit zur Entlastung von Netzen beitragen sollen. Außerdem werden für die Lieferantenseite Vorgaben zur Vertragsgestaltung gemacht, die den Letztverbraucher als Dienstleister in seiner Wahl eines Aggregators nicht tangieren darf. Auch soll die BNetzA sicherstellen, dass Haushaltskunden und Kleinstunternehmen mit voraussichtlich weniger als 100.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch unentgeltlich Zugang zu mindestens einem unabhängigen Vergleichsinstrument für Tarife und sonstige Angebote haben.
Weitere Änderungen adressieren das KWK Gesetz, die Netzentgeltverordnungen inkl. der ARegV, Wasserstoffnetze, die Übertragungsnetzbetreiber und Berichtspflichten in verschiedene Richtungen.
Das denken wir!
Grundsätzlich kommen mit dem Entwurf viele Änderungen auf alle Marktteilnehmer zu. Für Netzbetreiber gelten hierbei besondere restriktive Regelungen, sofern Sie Ladeinfrastruktur oder Speicheranlagen betreiben wollen. Für diverse andere Stakeholder entstehen dadurch Chancen, Dienstleistungen mit bzw. rund um das Thema Ladeinfrastruktur aufzubauen. Für Endkunden besteht Hoffnung auf mehr Wettbewerb und spannendere Angebote an der „elektrischen Zapfsäule“. In Verbindung mit dem kommenden SteuVerG dürften sich hier spannende neue Ansätze entwickeln lassen.
Neben den Vorgaben zur E-Mobilität ist aus unserer Sicht im Kontext SteuVerG auch das Thema flexible Lieferverträge besonders hervorzuheben. Mit dem SteuVerG und dem Einsatz intelligenter Messsysteme wird der technische Unterbau für die Anwendung variabler Tarife vorangetrieben. So können erste Impulse gesetzt werden, die Nachfrage am Energiemarkt über den Preismechanismus und damit der Abbildung realer Knappheit anzureizen. Damit können einerseits durch die teilweise Behebung von Informationsasymmetrien Marktungleichgewichte minimiert und andererseits fluktuierende Einspeiser besser integriert werden. Im Zusammenspiel mit dem SteuVerG bedeutet das aus unserer Sicht das Heben weiterer Potentiale intelligenter Messsysteme, neue Produkte für Lieferanten und neue Anforderungen an Prozesse von Messstellenbetreiber und der MaKo.
Insgesamt bringt der Gesetzesentwurf einen enormen Schub in Richtung Transparenz und Kundenzentrierung sowie der Bedeutung intelligenter Messsysteme. Hieraus lassen sich immer mehr Anwendungsfälle mit Kundennutzen ableiten, die zu mehr Dynamik und mehr Bedarfsorientierung im Energiewirtschaftssystem führen werden. Insbesondere für den vermeintlich kleinen Kunden.
Letztlich zeigt auch dieser Entwurf, wie die einzelnen Themen miteinander verwoben sind und deshalb auch gemeinsam betrachtet werden müssen. Wir unterstützen Sie hierbei auch weiterhin. In den kommenden Wochen wird es deshalb einzelne Themen in einer vertiefenden Analyse hier im Blog geben, ergänzt um ein unterstützendes Workshopangebot für den individuellen Bedarf.
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