Am 01.01.2021 trat der §6 MsbG, der sogenannte Liegenschaftsparagraph in Kraft. Dies könnte 2021 zu einem entscheidenden Jahr für die langfristigen Geschäftsbeziehungen zwischen Stadtwerken und Wohnungswirtschaft machen und der Startschuss für das Geschäftsfeld „Submetering“ sein.
Worum geht es?
Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) regelt in §6 ein Umsetzungsmodell für den spartenübergreifenden Messstellenbetrieb, das in der Energiewirtschaft unter dem Schlagwort „Liegenschaftsmodell“ bekannt ist.
Typischerweise fällt der regulierte Messstellenbetrieb in den Sparten Strom und Gas in den Verantwortungsbereich des Netzbetreibers, in seiner Funktion als grundzuständiger Messstellenbetreiber (gMSB), sofern nicht ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber (wMSB) mit dem Messstellenbetrieb beauftragt wurde. Anschlussnutzer oder auch Letztverbraucher haben grundsätzlich laut §5 MsbG das Recht, den Betrieb der eigenen Messstelle von einem Messstellenbetreiber ihrer Wahl durchführen zu lassen. Der Anschlussnehmer, gemeint ist in der Regel der Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft, beispielsweise ein Vermieter, hat dieses Wahlrecht zu dulden. Das Liegenschaftsmodell kehrt dieses Verhältnis um, indem es dem Anschlussnehmer unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, einen Messstellenbetreiber für die gesamte Liegenschaft – auch gegen den Willen der hiervon betroffenen Anschlussnutzer – auszuwählen. So wird ein spartenübergreifender Messstellenbetrieb ermöglicht.
Die drei rechtlichen Voraussetzungen für das Auswahlrecht des Anschlussnehmers zur Beauftragung eines einheitlichen Messstellenbetreibers für die gesamte Liegenschaft sind:
- Ausstattung: Der beauftragte Messstellenbetreiber muss alle Zählpunkte der Liegenschaft mit intelligenten Messsystemen (iMsys) ausstatten. Die Formulierung „Zählpunkte“ bezieht sich hierbei auf alle beim Netzbetreiber gemeldeten und abgerechneten Marktlokationen.
- Zusätzlicher Messstellenbetrieb: Neben der Sparte Strom muss mindestens ein zusätzlicher Messstellenbetrieb der Sparten Gas, Fernwärme oder Heizwärme über das Smart-Meter-Gateway gebündelt werden. Hierbei ist die Aufzählung der zu bündelnden Medien abschließend. Demnach ist die Bündelung der Sparte Wasser nicht ausreichend.
- Ohne Mehrkosten: Der gebündelte Messstellenbetrieb muss für jeden betroffenen Anschlussnutzer der Liegenschaft ohne Mehrkosten im Vergleich zur Summe der Kosten für den bisherigen getrennten Messstellenbetrieb durchgeführt werden. Das Bündelangebot kann also nur dann angenommen werden, wenn die bisherigen Kosten der einzelnen Spartenmessungen für die Anschlussnehmer nicht überschritten werden.
Mit dem Liegenschaftsparagraph verfolgt der Gesetzgeber unteranderem das Ziel, Liegenschaften zu modernisieren, intelligente Messsysteme schneller einzuführen und das spartenübergreifende intelligente Messwesen zu fördern.
Was bedeutet die Festlegung?
Das Liegenschaftsmodell ermöglicht auch für Messstellenbetreiber nicht regulierter Sparten (z.B. Abrechnungsdienstleister für Heizkosten) und wettbewerbliche Messstellenbetreiber im Strom- und Gasbereich neue Geschäftsfelder. Versuchen diese Marktteilnehmer das Liegenschaftsmodell für sich zu nutzen, geht das allerdings nur, wenn sie den erläuterten Voraussetzungen des §6 MsbG über den Messstellenbetrieb der Sparte Strom folgen. Der Messtellenbetrieb im Strombereich stellt hiermit das „Eintrittstor“ für das Liegenschaftsmodell und die damit verknüpften Chancen, alle Messstellen einer Liegenschaft zu bewirtschaften, dar. Damit aber treten diese Unternehmen in Konkurrenz zu Energieversorgungsunternehmen (EUV). So wird das „friedliche Nebeneinander“ zwischen den regulierten und nicht regulierten Sparten belastet. Gerade bei großen Vermietern und Wohnungsbaugesellschaften, die viele Marktlokationen „bündeln“, besteht daher das Risiko für EVUs, viele Messstellen an Messstellenbetreiber zu verlieren.
Allerdings bietet der §6 MsbG auch die einmalige Chance für Energieversorgungsunternehmen, neue Ertragsmöglichkeiten durch kompakte Kundenangebote, sogenannte Bündelangebote, zu generieren. Durch das Inkrafttreten des Liegenschaftsparagraphen kann Submetering zu einem essentiellen neuen Geschäftsfeld für EVUs werden. Hier können Stadtwerke ihre Vorteile ausspielen. Im Gegensatz zu den branchenfremden Wettbewerbern haben sie bereits langjährige Erfahrungen in der Energiewirtschaft. Zudem haben sie als grundzuständiger Messstellenbetreiber für Strom und Gas den Zugriff auf die Zähler und verfügen über bereits bestehende Geschäftsbeziehungen mit den Anschlussnutzern und der Wohnungswirtschaft. Es ist davon auszugehen, dass gerade Mehrfamilienhäuser mit mehreren Messstellen und Verbrauchern prädestiniert für einen optionalen Einbau von intelligenten Messsystemen und der Bereitstellung von Mehrwertdiensten sind. Energieversorgungsunternehmen, die als wettbewerbliche Messstellenbetreiber agieren, können ihre iMSys-Infrastruktur als Datenplattform für eine Vielzahl von Energiedienstleistungen einsetzten. Durch die Anbindung mehrerer Sparten an das Smart-Meter-Gateway lässt sich den Eigentümern von Liegenschaften ein echter Mehrwert bieten. Die regionalen Versorger genießen zudem bereits ein hohes Vertrauen bei den Verbrauchern und sind kommunal eng verzahnt. Oftmals bestehen auch mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften bereits Kontakte, die über das Liegenschaftsmodell ausgebaut werden können.
Wie finden wir das?
Insgesamt sind wir von m2g der Meinung, dass das Inkrafttreten des §6 MsbG einen enormen Schub in Richtung Transparenz und Kundenzentrierung, sowie der Bedeutung intelligenter Messsysteme und Submetering bringen kann. Das Liegenschaftsmodell stellt eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Energie- und der Wohnungswirtschaft dar. Auch wenn das in §6 MsbG verankerte Auswahlrecht erst seit dem 01.01.2021 ausgeübt werden kann, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu beschäftigen und dem eigenen Geschäftsfeld „Submetering“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Für Energieversorgungsunternehmen drängt zudem die Zeit, denn die großen Abrechnungsdienstleister in der Wohnungswirtschaft konkurrieren bereits heute um den Messstellenbetrieb.
Die richtige Strategie im Umgang mit dem Liegenschaftsmodell muss dabei vor allem im Hinblick auf die teilweise sehr unterschiedlichen rechtlichen, technischen und systemseitigen Rahmenbedingungen ermittelt werden. Hierbei ist m2g für Sie durch die langjährige praktische Erfahrung in den Themenstellungen rund um Smart Metering und Smart Energy der ideale Partner.
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