Intelligente Messsysteme und die Digitalisierung der Energiewirtschaft sind nicht nur in Deutschland wichtige Zukunftsthemen. Zahlreiche Industrieländer haben Strategien zum Rollout intelligenter Messsysteme entwickelt und befinden sich mitten in der Umsetzung.
Am 3. November 2020 haben wir im Zuge unserer Serie „Smart Metering im internationalen Vergleich“ mit einem Blick auf unseren südlichen Nachbarn Österreich einen ersten detaillierten Eindruck vom intelligenten Messwesen außerhalb Deutschlands bekommen. Heute möchten wir unseren Blick nach Asien richten – und zwar nach Südkorea.
Worum geht es?
In Zusammenarbeit mit der südkoreanischen Zweigstelle des VDE (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) hat m2g-Consult in den vergangenen Monaten ein umfangreiches Projekt zum deutschen Metering Code durchgeführt. Der Metering Code wird vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (VDE-FNN) herausgegeben und definiert zahlreiche Branchenstandards zu Formaten und Verarbeitung von Messwerten. In der neuesten Version des Metering Codes von 2019 wurden Richtlinien zum intelligenten Messwesen ergänzt, die für die automatisierte Verarbeitung von Messwerten in Smart Meter Gateways wichtig sind.
Ziel des Projekts war es, Inhalte des Metering Code herauszuarbeiten, die den südkoreanischen Energieversorger bei der Optimierung des intelligenten Messstellenbetriebs unterstützen können. Im Gegensatz zu Deutschland ist in Südkorea die Elektrizitätsversorgung nicht liberalisiert. Das staatliche Unternehmen Korea Electric Power Corp. (KEPCO) ist für die Energieversorgung Südkoreas zuständig. Damit befindet sich auch der Betrieb intelligenter Messsysteme in der Zuständigkeit von KEPCO.
Südkorea und der Metering Code
Der Rollout intelligenter Messsysteme, der Ausbau eines „Smart Grids“ und die Bereitstellung einer zentralen Energiedatenplattform zählen zu den wichtigsten Zielen bei der Digitalisierung der südkoreanischen Energieversorgung. Ziele sind in erster Linie, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und den gesamten Energieverbrauch zu reduzieren. Die kommunikationstechnische Grundlage für Smart Grids ist dabei hervorragend: Südkorea verfügt über ein flächendeckendes Breitbandnetz, das auch in ländlichen Regionen zuverlässig und schnell funktioniert und somit für die problemlose Anbindung der intelligenten Messsysteme an das IT-Backend von KEPCO sorgt.
Obwohl der südkoreanische Energiemarkt nicht liberalisiert ist und somit keine einheitlichen Datenformate zur Kommunikation zwischen verschiedenen Marktteilnehmern notwendig sind, können die Standards des deutschen Metering Codes ohne Zweifel auch in Südkorea zur Vereinfachung der Messdatenerfassung beitragen. So beschreibt der Metering Code Metadaten und Statuscodes für die Messwertübermittlung, definiert die Bezeichnung von Zählpunkten und erläutert Prozesse für Plausibilitätsprüfungen und Ersatzwertbildung. Dabei sind in den Metadaten Informationen zum Zählpunkt, zum Messzeitpunkt und zum (Fehler-)Status der Messgeräte enthalten. Mit Hilfe der in der Technischen Richtlinie TR 03109-1 definierten Tarifanwendungsfälle (TAF) für Smart Meter Gateways sowie der OBIS-Kennziffer für Zählwerke werden außerdem Detailinformationen über die Art des Messwertes festgelegt. Diese Detailinformationen lassen sich allerdings nicht 1:1 auf die koreanische Energieversorgung übertragen, da keine komplexen Kommunikationsmodule nach Art der in Deutschland genutzten Smart Meter Gateways zur Verfügung stehen.
Für die Plausibilitätsprüfung und die Ersatzwertbildung gibt es ebenfalls detaillierte Prozessbeschreibungen im Metering Code. So wird etwa die Interpolation als Methode zur Ersatzwertbildung für die Zählerstandsgangmessung (TAF 7) definiert, die allerdings nur bei maximal sieben fehlenden konsekutiven Messwerten angewandt werden darf. Für die Korrektur anderer Lastgänge werden Verfahren wie Vergleichsmessung, Referenzwertnutzung oder Ersatzprofilbestimmung erläutert.
Neben diesen Methoden, die sich vom deutschen Energiemarkt auf andere Länder übertragen lassen, wird im Metering Code auch die Bildungsvorschrift für die 33-stellige Zählpunktbezeichnung definiert. Diese ist deckungsgleich mit der Messlokations-Identifikationsnummer (MeLo-ID), die im Rahmen der Marktkommunikation zur Identifikation von Messlokationen genutzt wird.
Einschätzung von m2g
Ähnlich wie in Deutschland treibt Südkorea die Digitalisierung seiner Energienetze energisch voran. Herausforderungen des liberalisierten deutschen Energiemarktes im Sinne der Marktkommunikation bestehen im monopolistisch organisierten koreanischen Energiesektor zwar nicht, die Standardisierung, Speicherung und Nutzung der erhobenen Daten sind dennoch Themen, bei denen eine Orientierung an deutschen Branchenstandards hilfreich sein kann. Besonders die Nutzung der erhobenen Daten zum Erreichen des erklärten Ziels der Energieeinsparung ist in Südkorea ein noch offenes Thema. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zum aktuellen Marktgeschehen in Deutschland, wo die reine Visualisierung des Energieverbrauchs kaum Einsparpotentiale hebt. Perspektivisch wird erst durch neue Gesetzesvorhaben, wie etwa die EnWG-Novelle oder das Steuerbare-Verbraucher-Gesetz mit deutlichen Anreizen zum Energiesparen zu rechnen sein. Es wird sich zeigen, ob Länder wie Südkorea mit rechtlichen Änderungen ähnliche Wege beschreiten möchten.
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