Redispatch 2.0 vor dem Aus?

Worum geht es?

Eingriffe in das Stromverteilnetz sind heutzutage gang und gäbe. Die volatile Einspeisung von Erneuerbaren Energien, unvorhergesehene Ereignisse am Strommarkt, sowie Ausfälle von technischen Einrichtungen machen es notwendig Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, um netzdienliche Anpassungen zu ermöglichen. Neben den bevorstehenden Steuerhandlungen durch den Netzbetreiber für sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen wird im Redispatch 2.0 bereits ein Werkzeug zur Verfügung gestellt, welches eben diese Problematik angehen soll.


Das Modell zum Redispatch 2.0 sieht dabei vor, dass kleinere Kraftwerke ab 100 kW zur präventiven Behebung von Netzengpässen genutzt werden können, um das Netz zu stabilisieren und ein optimiertes Engpassmanagement zu schaffen. Etwas womit Übertragungsnetzbetreiber bereits viel Erfahrung haben. Durch die Unterschreitung des Schwellenwertes von 135 kW für die Teilnahme am Mittelspannungsnetz sind jedoch dadurch auch Anlagen aus der Niederspannung und somit letztlich die Verteilnetzbetreiber betroffen, welche die relevanten Anlagen nun steuern müssen. Dies hatte dazu geführt, dass neue technische Prozesse geschaffen werden mussten, um den Anforderungen im Rahmen des bilanziellen Ausgleichs gerecht zu werden. Begriffe wie die Technische und Steuerbare Ressource (TR-ID & SR-ID) waren einige Neuerungen im Rahmen des Einführungsszenarios gewesen. Da es ohnehin an den Prozessen mangelte und viele kleinere Stadtwerke nicht die Möglichkeiten hatten, die Anforderungen in der schnelle umzusetzen, hatte der bdew zum 01.10.2021 eine Übergangslösung implementiert. Der Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) sollte als Mittelsmann, zwischen dem Verteilnetz- und dem Übertragungsnetzbetreiber fungieren und eine entsprechende Aufwandsentschädigung vom Netzbetreiber erhalten. Der bilanzielle Ausgleich für Maßnahmen des Redispatch 2.0 gemäß § 13a Abs. 1a EnWG sollte vorübergehend pauschal in Höhe von 0 MWh erfolgen.

Analog zu dem heutigen Einspeisemanagement konnten somit die bilanziellen Ausgleichsmengen bewirtschaftet werden, wobei Eingriffe, die vom Netzbetreiber verordnet wurden, nicht zu den üblichen Marktpreisen gehandelt werden durften. Die finanzielle Kompensation richtete sich dabei nach einem Mischpreis, wobei die Zusammensetzung mit einem Anteil von 72,5% zum Wert des ID1 (Intraday-Handel) und mit 27,5% um den Wert des ReBAP (regelzonenübergreifender einheitlicher Ausgleichsenergiepreis) erfolgte. Des Weiteren wurden die Anlagen aufgrund ihrer Verfügbarkeit von Daten in entsprechende Modelle unterteilt, auf deren Grundlage sich der bilanzielle und finanzielle Ausgleich unterscheidet. Beim Planwertmodell liefert eine Anlage verbindliche Planungsdaten wie Erzeugungsprognosen, wodurch Fahrpläne erstellt werden können, auf dessen Grundlage eine Anlage im Falle einer Herunterregelung sich verhalten. Im Gegensatz dazu werden im Prognosemodell keine Erzeugungsprognosen erstellt und pauschal abgeregelt und dementsprechend verrechnet. Dies führt jedoch unweigerlich zu einer klaren Problemstellung: Was passiert, wenn ich meine Anlage für das Planwertmodell ertüchtige und zusätzliche Investitionen leiste, aber der Netzbetreiber keinen funktionierenden bilanziellen Ausgleich liefert?

Was sind die Änderungen?

Anfang Juli hatten zahlreiche Verteilnetzbetreiber, sowie die Amprion und 50Hertz bekannt gegeben, dass der bilanzielle Ausgleich im Rahmen des Redispatch 2.0 Ende Juli eingestellt wird. Die Prozesse funktionierten anscheinend so schlecht, dass die Übertragungsnetzbetreiber die operativen Risiken nicht mehr für tragbar hielten. Die Entscheidung fiel unter gegenseitiger Abstimmung.


Der bdew äußerte sich ebenfalls hierzu, dass die Bilanzierung in den Pilottests zunächst ausgesetzt werden und die Übergangslösung fürs erste zur Dauerlösung wird (obwohl diese von der BNetzA befristet bis zum Juni 2022 galt). Dies schien auch nicht sonderbar verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass etwa 99% aller deutschen Netzbetreiber den bilanziellen Ausgleich weiterhin über den BKV durchführen ließen. Man müsse laut der BNetzA an der Stammdatenerfassung und der elektronischen Kommunikation zwischen dem Einsatzverantwortlichen und dem Lieferanten arbeiten, um einen reibungslosen Start für den bilanziellen Ausgleich durch den Netzbetreiber zu ermöglichen. Die Marktakteure wiederrum bemängelten die Systembilanzrisiken und den Fakt, dass alle am Prozess beteiligten Marktpartner zum bilanziellen Ausgleich befähigt sein müssten. Die Komplexität der Prozesse und die Ertüchtigung der Systeme auf Grundlage der vorgegebenen Anforderungen mache dies aber schlichtweg zu einem beschwerlichen Unterfangen.

Der BDEW hat hierzu bereits am 31. August 2023 Vorschläge zur Fortentwicklung des bilanziellen Ausgleichs ausgearbeitet (Abschlusspapier der Task Force) und diesen Richtungsimpuls der BNetzA vorgelegt. Zur Weiterentwicklung des Redispatch 2.0 wird dabei unter anderem angeregt, das Planwertmodell für alle darin betroffenen Anlagen anzuwenden und das Prognosemodell perspektivisch für alle übrigen Anlagen langfristig gelten zu lassen. Es sollte zudem die Abrufvarianten sowie deren Schnittstellen standardisiert und alle am Redispatch 2.0 beteiligten Akteure besser befähigt werden. Hierzu sei es ebenfalls erforderlich Verbesserungen hinsichtlich des Abrechnungsprozess, Abrufprozess und Wechselprozess des Einsatzverantwortlichen durchzuführen.

Die Beschlusskammer hält dagegen am massengeschäftstauglichen Verfahren rund um den Redispatch 2.0 fest und vermerkt, dass sie die erheblichen Schwierigkeiten in der Umsetzung zur Kenntnis nehmen. Es wurde daher ein Sachverständiger in der Problematik beauftragt, der auf Basis der Erkenntnisse aus den Pilotprojekten Änderungsvorschläge für die Fortentwicklung vorlegen soll. Nach entsprechender Auswertung beabsichtigt die Beschlusskammer, Eckpunkte für die Anpassung der bestehenden Regelungen (BK6-20-059 / BK6-20-060 / BK6-20-061) vorzustellen und öffentlich zu konsultieren. Genaue Informationen zum zeitlichen Ablauf bleiben jedoch aus.

Die Branche ist verunsichert und weiß entsprechend nicht, ob sich gewisse Investitionen nun noch lohnen. Die Übergangslösung – so schreibt die zfk selbst – benachteilige den Anlagenbetreiber und den Direktvermarkter, da diese im Falle eines Erlösausfalles nur einen Mischpreis zur finanziellen Kompensation erhalte, statt des üblichen Ausgleichsenergiepreises. Ganz zu schweigen von der Rechtssicherheit, die prinzipiell bei der Verwendung der Übergangslösung nicht gegeben ist, da diese von der BNetzA nur befristet galt. Ebenfalls werden bereits geleistete Investitionen in den Sand gesetzt, da die Anlage schlichtweg im Prognosemodell arbeiten müssen und die Fahrpläne somit nicht im Redispatch 2.0 genutzt werden können.

Wie finden wir das?

Es gleicht einem Paukenschlag! Eine Reihe großer und namhafter Unternehmen widersetzen sich aus diversen Gründen den verbindlichen Forderungen durch die BNetzA und lehnen die offizielle Lösung im Rahmen des Redispatch 2.0 ab. Der bdew muss Einschreiten und eine verbindliche Aussage auf Basis der bereits getätigten Entscheidungen der Branche treffen. Leidtragende sind hierbei, wie zu oft, der Letztverbraucher, die Anlagenbetreiber und der Direktvermarkter, die aufgrund der Unsicherheit des Marktes nicht handlungsfähig sind. Man kann auf der einen Seite argumentieren, dass aufgrund der Komplexität der Anforderungen durch das Modell des Redispatch 2.0 jegliche Flexibilität im Umgang mit Problemen und Hürden genommen werden und daher das Modell an sich überarbeitet werden muss.

 

Auf der anderen Seite kann die wahnwitzige Folge von aufeinander folgenden Neuerungen und Anpassungen im Markt aufgeführt werden, weshalb viele Marktpartner schlichtweg überfordert sind und nicht mit den Änderungen mithalten können. Dies signalisiert jedoch eine drohende Problematik im deutschen Energiemarkt: Die regulatorischen Anforderungen werden an der Industrie vorbei entwickelt ohne Rücksicht auf drohende Ausfälle zu nehmen. Der Energiemarkt wird dadurch nur noch komplexer und nicht zugänglich bleiben. Der Fokus sollte dahingegen sein ein Modell zu entwickeln, welches einen praktikablen Mehrwert am Ende erzeugt, anstatt ein nur vor Anforderungen strotzendes System zu erzeugen. Die aktuelle Technik sowie die Verpflichtung von Smart Metern bei bestimmten Verbrauchsgruppen machen es möglich, genauere und vollständige Datensätze am Netzanschlusspunkt zu sammeln und den Marktpartner gezielt zur Verfügung zu stellen.

Die fortschreitende Digitalisierung kann es hierbei ermöglichen, den Anforderungen gerecht zu werden und eine ausreichende Datengrundlage bereitzustellen. Es braucht lediglich einen konkreten Umsetzungsplan, wie die Netzbetreiber die geforderten Prozesse implementieren und in ihre vorhandenen Systemarchitektur integrieren können. Es bleibt abzuwarten, wann die neue Konsultationsrunde zum Redispatch 2.0 starten wird und welche Änderungen uns bevorstehen werden. Vielleicht werden eben diese Erfahrungswerte genutzt, um im Redispatch 3.0 eine dauerhafte und zukunftssichere Lösung vorzustellen.

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Herr Solak wirkt bei m2g als Consultant in verschiedenen Aufgaben im Bereich intelligenter Messsysteme in technischen, wirtschaftlichen und strategischen Fragestellungen mit. Besonders die langjährige Arbeit in energiewirtschaftlichen Aufgabenfeldern, sowie die Erarbeitung von Systemen und Prozessen zeichnen Ihn als Experte in der Energiebranche aus.

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Sie ist durch ihre Ausbildung mit ingenieurs- und wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund interdisziplinär geschult und ist mit ihren hervorragenden organisatorischen Fähigkeiten und schnellen Auffassungsgabe in der Lage, anspruchsvolle und herausfordernde Aufgaben effizient und auf hohem Niveau zu lösen.

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Eileen Reschke - Referentin der Geschäftsführung

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Eileen Reschke unterstützt in strategischen, wirtschaftlichen und technischen Fragestellungen. In mehreren Projekten konnte sie bereits eine Vielzahl an Erfahrungen und Einblicken in Unternehmen der Energiewirtschaft sammeln. Besonders die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Einführung von intelligenten Messsystemen sind Frau Reschke umfassend bekannt.

Frau Reschke ist durch ihre Ausbildung mit ingenieurs- und wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund interdisziplinär geschult und ist mit ihren hervorragenden organisatorischen Fähigkeiten und ihrer schnellen Auffassungsgabe in der Lage anspruchsvolle und herausfordernde Aufgaben effizient und auf hohem Niveau zu lösen.

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Felix Obst - Teamleiter

Projektrolle: Senior Consultant

Felix Obst unterstützt als Senior Consultant diverse Unternehmen der Energiewirtschaft im Umfeld intelligenter Messsysteme sowohl in technischen, wirtschaftlichen als auch strategischen Fragestellungen. In diesem Kontext entwickelte er Ansätze, wie die Einführung von intelligenten Messsystemen für EVUs und in der Wohnungswirtschaft, die nutzstiftend und gewinnbringend eingesetzt werden können.

Durch seine Ingenieursausbildung mit energiewirtschaftlichem Schwerpunkt ist Herr Obst mit den Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft vertraut. Er zeichnet sich durch seinen Ehrgeiz und seine Zielorientierung aus, sich in neue Themenfelder rasch einzuarbeiten und mit der nötigen Sorgfalt zu bearbeiten.

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Durch seine langjährige Expertise in unterschiedlichen Unternehmen und Funktionen in der Energie- und Versorgungswirtschaft ist Herr Braun ein ausgewiesener und erfahrener Experte in den Bereichen Smart Metering, IT-Architektur sowie Anforderungsmanagement.

In komplexen Fragestellungen und Projekten hat er seine ausgezeichneten analytischen und organisatorischen Fähigkeiten im Bereich Projektmanagement und IT-Beratung entwickelt und unter Beweis gestellt. Er unterstützte in der Vergangenheit in diversen Projekten die Projektleiter und Geschäftsführer in organisatorischen und administrativen Themenfeldern. Darüber hinaus unterstützte er verschiedene Unternehmen bei ihrer operativen Ausrichtung in verschiedenen Themenfeldern.

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Benjamin Baasner, CEO - Geschäftsführer

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Benjamin Baasner verfügt über nachweisliche Berufserfahrung in unterschiedlichen Unternehmen und Funktionen in der Energiewirtschaft und in anderen Branchen. Im Verband kommunaler Unternehmen (VKU) konnte Herr Baasner seine betriebswirtschaftliche Expertise in dem Bereich Personal, Organisation und Finanzen einbringen und verschiedene Prozesse im Verband implementieren und optimieren. Durch den Wechsel in den Bereich Netzwirtschaft innerhalb des VKU erhielt er Einblicke in die nationalen und europäischen Gesetzgebungsverfahren und konnte bei der Meinungsbildung durch die VKU Mitgliedsunternehmen an deren Ausgestaltung – insbesondere in den Themenfeldern Smart Metering und IKT – mitwirken.

Benjamin Baasner ist seit mehreren Jahren Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien (z.B. Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums Intelligente Netze und Zähler, Arbeitsgruppe Systemsicherheit, Umsetzungsplan KRITIS vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik).

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Stefan Baasner, CEO - Geschäftsführer

Projektrolle: Principal Consultant

Stefan Baasner verfügt über langjährige Erfahrungen in unterschiedlichen Unternehmen und Funktionen und ist ein ausgewiesener Experte in diversen methodischen, IT-lastigen und fachlichen Lösungsansätzen.

In unterschiedlich komplexen Fragestellungen und Projekten hat er seine ausgezeichneten analytischen und organisatorischen Fähigkeiten im Bereich der Strategie-/Prozess- und IT-Beratung unter Beweis gestellt. Insbesondere durch seine Verbandsarbeit hat er national und international Einfluss auf die aktuelle Gesetzgebung in den regulierten Bereichen der Energiewirtschaft. Darüber hinaus unterstützte er verschiedene Unternehmen bei ihrer strategischen und operativen Ausrichtung in verschiedenen Themenfeldern.