Wir schreiben den 20.05.2022. Nach einer langen Phase der Ungewissheit und der Fragezeichen, erlässt das BSI „eine Übergangsregelung nach § 19 Abs. 6 MsbG zur Absicherung des Rollouts intelligenter Messsysteme“. Gleichzeitig wurde die streitige Allgemeinverfügung vom 7. Februar 2020 zurückgenommen, besser bekannt als Markterklärung für den Einbau intelligenter Messsysteme. Nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) im vorläufigen Rechtsschutz zulasten des BSI entschieden hatte, war dieser Schritt unter Experten eine klare Option, dennoch dürfte diese Meldung erneut für sehr viel Unruhe sorgen. Um ein wenig Licht ins Dickicht zu bringen, soll die folgende Einordnung Struktur ins Geschehen und in die kommenden Monate bringen.
Welche Folgen hat die Entwicklung?
Zunächst hat das BSI mit diesem Schritt die Verpflichtung aller (g) MSB in Deutschland aufgehoben, bis Februar 2023 die 10% – Quote erfüllen zu müssen. Bis zum 19.05.2022 galt dieses Datum als Fristende zur Ausstattung aller Kunden mit einem intelligenten Messsystem mit einem Jahresverbrauch zwischen 6.000-100.000 kWh. Je nach Quelle und Umfrage war hier etwa die Hälfte der Branche auf einem guten Weg, während die andere Hälfte noch gar keine Aktivitäten unternommen hatte. Letztere dürften also aufatmen. Denn bis heute ist ein solches Rollout-Projekt ein komplexes Vorhaben, welches eben nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Für die andere Hälfte bringt die neue Übergangsregelung nach § 19 Abs. 6 MsbG immerhin die notwendige Sicherheit für bereits verbaute Technik. Welche genau als unkritisch eingestuft wird, führt das BSI explizit in der neuen Regelung auf (siehe nachfolgende Abbildung).
Was passiert mit der bisherigen Technik?
Damit ist geklärt, dass bisher verbaute Technik weiterhin genutzt werden darf, soweit diese aus dem genannten Pool zulässiger Geräte stammt. Dies gilt selbstverständlich auch für noch nicht eingebaute aber bereits gelieferte Geräte. Und letztlich auch für bestellte aber noch nicht gelieferte Geräte. Grundsätzlich wäre dem weiteren Rollout also genüge getan. Aber…
Wie rechne ich die bereits verbauten Messsysteme ab? Gilt die POG noch?
Grundlage für den § 31 MsbG zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit oder den § 30 MsbG zur technischen Möglichkeit bildet eine Markterklärung durch das BSI. Diese ist wie erwähnt aufgehoben. Die Übergangsregelung nach § 19 Abs. 6 MsbG bezieht sich zunächst lediglich auf die technische Unbedenklichkeit des weiteren Betriebs. Damit ist aktuell vollkommen unklar, wie die bereits installierten Messsysteme abgerechnet werden dürfen. Die POG aus § 31 MsbG dürften jedenfalls keine Option sein. Dies gilt zumindest für den Blick nach vorne. Wie es sich mit der abgelaufenen Periode verhält, ist ebenfalls fragwürdig. Bestandsschutz? Aufhebung? Rückerstattung? Dies wird beantwortet werden müssen. Aktuell sind alle (g) MSB in einem Schwebezustand und ohne eindeutigen regulatorischen Rahmen. Im Zweifel gilt der Betrag für eine moderne Messeinrichtung als zulässig. Ein unglaublicher wirtschaftlicher Schaden.
Wie geht es jetzt weiter?
Zunächst bleibt als Zwischenfazit, dass dieser Sachverhalt nicht dazu beitragen wird das allgemeine Vertrauen in diese Technologie und die Absichten dahinter zu verstärken. Im Koalitionsvertrag „der Ampel“ wurde das Thema „intelligentes Messwesen“ explizit erwähnt und als Handlungsfeld identifiziert. Beschleunigung und Klarheit sollte es geben. Davon ist bis hierhin nichts zu sehen.
Dennoch kommt diese Entscheidung des BSI nicht ganz überraschend. Alle beteiligten Protagonisten hatten bereits Gelegenheit sich darauf vorzubereiten. Nach unseren Informationen hat das BSI eine neue und dieses Mal konforme Allgemeinverfügung „in der Schublade“. Einzig das BMWK hatte bislang Bedenken und wollte zumindest den Abschluss des anhängigen Verfahrens abwarten. Es ist also damit zu rechnen, dass es sehr zeitnah eine neue Marktanalyse sowie eine nachfolgende Markterklärung geben wird. Der Schwebezustand sollte entsprechend von kurzer Dauer sein.
Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass in der neuen Markterklärung weitere Fallgruppen für den Rollout freigegeben werden. Damit hätte die Branche zwar erneut 3 Jahre Zeit, allerdings in einer komplexeren Umgebung als bisher. Es wird also eher schwerer als einfacher.
Und was sollte ich als (g)MSB jetzt tun?
Wie so oft, ist diese Frage nicht eindeutig zu beantworten. Hierzu wäre zunächst zu bewerten, wie die aktuelle Lage im eigenen Haus einzuordnen ist.
- Wurde bereits mit dem Verbau von intelligenten Messsystemen begonnen, sollte eine Priorisierung auf jene Kundengruppen vorgenommen werden, deren Ausstattung auf Kundenwunsch oder durch einen entstehenden Nutzen erfolgte. Eine reine Quotenerfüllung sollte vorerst ausgesetzt werden. Warum? Ohne zu wissen, wie diese Kunden abgerechnet werden können bzw. dürfen, ist ein Einbau schlicht zu risikoreich. Hier sollte zumindest abgewartet werden, wie sich der Rahmen entwickelt und welche Positionen hier vom Regulator formuliert werden. Eine Ausnahme wären Geräte, deren Zertifikate kurz vor dem Ablauf stehen. Werden diese nicht verbaut, entstünde entsprechender Elektroschrott.
- Wurde noch nicht mit dem Einbau begonnen sollte diese Situation dennoch nicht unterschätzt werden. Wir haben in den vergangenen 2,5 Jahren gesehen, wie komplex sich diese Projekte selbst bei kleinen Mengen darstellen. Es gilt daher eher die Umstände zu nutzen und in die vorbereitenden Maßnahmen einzusteigen. Die neue 3-Jahres-Frist wird nach unserer Einschätzung bereits kurzfristig mit einer neuen Markterklärung starten. Nur eben mit umfassenderen Einbaupflichten.
Das Fazit von m2g
Ja, die Entscheidung des BSI wird zunächst viel Staub aufwirbeln. Dennoch dürfte der überwiegende Anteil der Branche eher froh über diese Entwicklung sein. Angesichts der Engpässe durch die Folgen der Pandemie und den unklaren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs hätten auch im regulären Prozess viele gMSB erhebliche Schwierigkeiten gehabt, das 10%-Ziel zu erreichen. Insofern sollte diese Entscheidung zunächst zu einer Entspannung der allgemeinen Lage führen. Auch mit Blick auf die Mako2022 erscheinen einige Vorhaben der Zukunft nun machbarer als noch vor wenigen Tagen. Durchaus problematisch bleiben dennoch die vielen offenen Abrechnungsfragen. Mit Blick auf die vielen Rollout-Projekte im Land ist zudem fraglich, wie schnell und vor allem sinnvoll kurzfristige Veränderungen wären. Alles sofort stoppen? Wenn ja, was wenn es doch wieder schnell weitergehen wird? Wie sage ich das meinen Kunden?
Aus unserer Sicht ist der gesamte Vorgang nur eine „Schein-erleichterung“. Zwar gibt es eine kurzfristige Entlastung der Branche und eine Auflösung der durch Lieferengpässe und globale Probleme entstandenen Herausforderungen. Dafür entstehen neue Abrechnungsfragen und ein unschöner Schwebezustand. Auf diesen wird zeitnah eine deutlich anspruchsvollere Markterklärung folgen, für deren Erfüllung erneut nur drei Jahre zur Verfügung stehen. Wir als Branche sollten gelernt haben, dass dies ein sehr kurzer Zeitraum für ein derart komplexes Projekt ist. Der größte Fehler wäre nun, dieses Thema erneut zu unterschätzen und sich entspannt zurückzulehnen. Der Handlungsdruck entsteht bereits jetzt landauf und landab durch immer mehr dezentrale Erzeugung und aufgeklärte Kunden.
Wir sind gespannt, welche nächste Episode diese unendliche Geschichte für uns bereithält.
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